Auslegung von Linearmotoren

Grundsätzlich ist bei der Auslegung von Linearmotoren immer für ausreichende Sicherheit zu sorgen. Die Katalogwerte sind gemessene und berechnete Werte, diese dienen jedoch nur der Abschätzung der Eigenschaften des Motors

Zu bedenken ist, daß lediglich ein Sekundärteil und ein Primärteil (Stator) erworben werden; ein Motor wird daraus nur durch Einbau in die Maschine. Die tatsächlich erreichbaren Parameter des Motors hängen somit von einer Reihe von Faktoren ab:

  1. vom eingestellten Luftspalt ; dieser kann bei Präzisionsmaschinen 0,2 mm betragen, bei Kranantrieben jedoch 5 mm oder mehr (s. Abb.1).
  2. von der Umgebungs- und Motortemperatur; wie die Analyse der Parameterempfindlichkeit gezeigt hat (http://www.patriceweiss.com/maxwell2D.htm), kann sich der ohmsche Widerstand der Statorwicklung bis zu 63 % bei entsprechender Erwärmung ändern. Dabei vermindert sich die Vorschubkraft bis auf 56% der ursprünglichen im kalten Zustand des Motors.
  3. vom verwendeten Antriebsregler/ Umrichter. Hier gibt es zum Teil gravierende Unterschiede; es sind Versuche gefahren worden, bei denen die im Katalog angegebene Werte für die Vorschubkraft bei weitem überschritten worden sind. Aber auch das Gegenteil ist der Fall. Am starren Netz oder am U/f- Umrichter sollten daher die Motoren nur betrieben werden, wenn keinerlei Ansprüche an die Dynamik gestellt werden.
  4. vom verwendeten Sekundärteil. Anfangs sind die Daten der Linearmotoren nur für eine einfache, 3 mm starke Aluplatte als Sekundärteil angegeben worden. Die Vorschubkraft verbessert sich schon dann, wenn diese auf einen magnetischen Rückschluss (auf eine ferromagnetische Achse) genietet wird; ein Optimum wird jedoch erst durch die von der ANTRIMA angeboteten Asynchron-Sekundärteile erreicht.

 

 

Rot- d= 8mm, vS= 3m/s

Blau- d= 4mm, vS= 3m/s

Grün- d= 8mm, vS= 6m/s

Cyan- d= 4mm, vS= 6m/s

 

 Abb.1 Wirkungsgrad in Abhängigkeit vom Luftspalt bei verschiedenen Schlupfwerten

 

Nachfolgend wird an einem Beispiel die einfache Auslegung von Linearmotoren beschrieben; für viele Fälle ist diese Abschätzung ausreichend. Immer jedoch sollten der Auslegung Tests folgen, immer ist bei der Anwendung von Linearmotoren eine ausgiebige Inbetriebnahme-, Optimierungs- und Testphase einzuplanen.

Bei der vorgestellten Auslegungsmethode ist zu beachten, daß der Hochlauf des Linearmotors nie auf der statischen elektromechanischen Kennlinie v=f(FT) erfolgt, sondern immer auf der dynamischen Kennlinie.

 

Abb. 2 Dynamische und statische Kennlinie eines Linearmotors

Da die dynamischen Kennlinien von sehr vielen Faktoren abhängig sind und ebenfalls vom Zustand beim Einschalten definiert werden, werden grundsätzlich immer nur die statischen Kennlinien angeben.

Zur Abschätzung und vorläufigen Motorauswahl aus den im Katalog angegebenen mechanischen Kennlinien v=f(F) wird grundsätzlich die allgemeine Bewegungsgleichung des Antriebes verwendet:

                                                                 (*)

Die Differentiale lassen sich bei dieser Abschätzung durchaus durch die Differenzen ersetzen.

Wem die Genauigkeit dieser vorgestellten Auslegung nicht genügt, können folgende Hilfen angeboten werden:

  1. Berechnung des Motors mit der FEM-Software Maxwell2D/ Transient Solver- s. (http://www.patriceweiss.com/maxwell2D.htm)
  2. Berechnung des Motors mit dem Softwarepaket VisSim nach vorhergehender Berechnung sämtliche Motorparamter (Induktivitäten, Widerstände) mit Mathcad- s. http://www.patriceweiss.com/simulation_mit_vissim.htm (bisher ist das Motormodell nur für den Fall einer einfachen Aluplatte parametrisiert).
  3. Messen der Eigenschaften am Prüfstand

Ziel der Antriebsauslegung ist es:

Z1.              vorab den Motortyp festzulegen

Z2.              zu überprüfen, ob der festgelegte Motortyp, ausgehend von der Effektivkraft (also die Kraft, die der Motor dauernd aufbringen kann) für das vorgegebe Lastspiel ausreichend ist  

Z3.              zu überprüfen, ob der Motor den Zyklus in der technologisch vorgegebenen Zeit abfahren kann

 Die Auslegung ist zweckmäßigerweise in der folgenden Reihenfolge durchzuführen:

      A1.            Berechnung der statischen Widerstandskräfte FW

A2.            Auswahl des Motors derart, daß diese Widerstandskräfte überwunden werden können, d.h. F0>FW

A3.            Berechnung der Geschwindigkeiten im statischen Betrieb, die sich bei den statischen Widerstandskräften aus der Motorkennlinie ergeben

A4.            pro Einschaltvorgang (Beschleunigen auf Verfahrgeschwindigkeit-Fahren mit konstanter Geschwindigkeit-Bremsen auf niedrigere Geschwindigkeit) berechnen der Parameter des Hochlaufvorganges: Kraft, Zeit, Weg ; Ausgangsgleichung ist hier (*)

A5.            pro Einschaltvorgang Berechnen der Parameter des Bremsvorganges: Kraft, Zeit, Weg

A6.            ausgehend von den berechneten Wegen Berechnen des Weges, welcher mit konstanter Geschwindigkeit zurückgelegt werden soll; Abbruchkriterium: sind die Wege für Hochlauf und Bremsen grösser, als der Gesamtweg, ist ein stärkerer Motor zu wählen

A7.            pro Einschaltvorgang Berechnen der Parameter des Fahrens mit konstanter Geschwindigkeit

A8.            Punkte A4 bis A7 sind für jeden Einschaltvorgang durchzuführen

A9.            Unter Einbeziehung der Pausenzeiten ist die effektive Motorkraft zu berechnen und Kriterium Z2 zu überprüfen:

Rechenbeispiel:

Hinweis: Es werden grundsätzlich SI-Einheiten verwendet, damit entfallen Einheitenrechnungen in den Formeln. Es gilt:

Der Laufwagen mit Linearmotor soll leer von A nach B fahren und dort eine Last von 75 kg aufnehmen. Die Zeit t4 zur Aufnahme der Last dauert 1 Sekunde. Anschließend fährt der beladene Wagen zurück in Position A. Die Bearbeitung/ Abnahme der Last dauert t8 = 4 Sekunden.

 

Abb.3 Skizze und Geschwindigkeits- und Kraft-Zeit-Diagramm

Die in den Berechnungen verwendeten Indizees beziehen sich auf die im Diagramm angegebenen Zeitabschnitte.

Zur Vereinfachung wurden die Kräfte bei der Fahrt von Pos. B nach A ebenfalls positiv angenommen- zur besseren Darstellung. Genaugenommen müssten diese Kräfte negativ sein. Diese Annahme spielt aber keine Rolle, wie weiter unten ersichtlich wird.

Weitere Vorgaben sind:

Masse des Wagens, leer                                            

Masse des Wagens, mit Last                                      

(die Last ist also 75 kg)

Reibkonstante der Wagenführung                               

Weg von Pos. A nach Pos. B                                     

Arbeit am U/f-Umrichter bei einer Frequenz              

(gewünscht ist also )

 

 Berechnungen:

 A1. Widerstandskraft

Die Widerstandskraft, welche der Motor bei der Fahrt von A nach B zu überwinden hat, ist im statischen Betrieb:

Die Widerstandskraft, welche der Motor bei der Fahrt von B nach A zu überwinden hat, ist im statischen Betrieb:

A2. Motorauswahl

Aufgrund der berechneten Widerstandskräfte könnte ein Beowulf zur Anwendung kommen:

 

Abb.4 Lastkennlinie des Motors Beowulf mit ANTRIMA-Sekundärteil

Die Nennkraft des Motors beträgt FN= 135*N

A3. Motorkennlinie; Motorgeschwindigkeit

 Die Synchrongeschwindigkeit des Motors Beowulf beträgt bei einer Frequenz von 50 Hz . Für den Betrieb am U/f-Umrichter ist es zulässig, die Kennlinien bei niedrigeren Frequenzen, als der Nennfrequenz, als eine Kurvenschar paralleler Kurven zu betrachten. Weiterhin wird zur Vereinfachung angenommen, daß der relevante Teil der Kennlinie eine Gerade ist, deren einer Punkt im Koordinatensystem (0,vS), der andere Punkt (F0,0) ist.

Abb. 5 Kennlinie des Umrichterbetriebes mit Widerstandskräften A nach B (FWAB) und B nach A (FWBA)

Die in Abb.4 rot gezeichnete Kennlinie ist die die tatsächliche Kennlinie des Motors; die grüne die vereinfachte; beide sind gültig für eine Frequenz des Umrichters von 50 Hz; beide gehen also durch die Punkte (0N, 3m*s-1) und (400N,0m*s-1).

Die blaue Kennlinie verläuft parallel zur grünen und geht durch die Punkte PI(FI,vI) = (0N, 2m*s-1) und PII(FII,vII) = (245N, 0m*s-1); diese Kennlinie entspricht also einer Umrichterausgangsfrequenz von 33,3 Hz bzw. einer Synchrongeschwindigkeit des Motors von 2*m*s-1.

Die schwarzen Kennlinien parallel zur Geschwindigkeitsachse sind die oben berechneten FWAB und FWBA. Bei Verwendung von Präzisionslaufwagen (Fabrikat z.B. THK) sind diese Lastkennlinien zulässig, der Effekt der trockenen Reibung ist bei diesen Laufwagen nicht zu beobachten.

Die Koordinaten der beiden Punkte in die Geradengleichung eingesetzt, ergibt:

 

Damit ist die Geradengleichung der Motorkennlinie bei 33,3 Hz:

                                                           (F-1)

Prinzipiell können die Geschwindigkeiten bei verschiedenen Lasten auch grafisch ermittelt (abgelesen) werden.

Aus (F-1) ergibt sich für FWAB eine Geschwindigkeit von

für FWBA ergibt sich eine Geschwindigkeit von :

A4. Berechnen der Parameter des Hochlaufvorganges Fahren nach Pos. B, Zeitabschnitt 1

Ausgangsgleichung ist hier (*). Es kann davon ausgegangen werden, daß während des Hochlaufs die mittlere Kraft aus FW und F0 zur Verfügung steht

.

Der dabei zurückgelegte Weg ist:

A5. Berechnen der Parameter des Bremsvorganges Fahren nach Pos. B, Zeitabschnitt 3

Beim Bremsvorgang hilft die Widerstandskraft des Mechanismus dem Motor. Deshalb gilt:

A6. Berechnen des Gesamtweges der transienten Vorgänge (Hochlauf und Bremsen) beim Fahren nach Pos. B, Zeitabschnitte 1 und 3

Der Weg, welcher für die transienten Vorgänge benötigt wird, ist wesentlich kleiner, als der Gesamtweg. In dieser Beziehung ist die Motorauswahl gut getroffen. 

A7. Parameter beim Fahren mit konstanter Geschwindigkeit, Zeitabschnitt 2

Der Weg, welcher von A nach B mit konstanter Geschwindigkeit zurückgelegt wird, ist:

Hierfür wird eine Zeit von

benötigt.

A8. Berechnen der Punkte A4 bis A7 für die Bewegung mit Last von B nach A

 

Die Ergebnisse tabellarisch dargestellt; bei den Geschwindigkeiten handelt es sich um Mittelwerte.

Tabelle 1 Rechenergebnisse

Zeitabschnitt, Index

s, [m]

v [m/s]

t, [s]

a, [m/s2]

F, [N]

P, [W]

1

0,367

0,899

0,408

4,41

134,76

121,15

2

5,527

1,799

3,072

0

24,52

44,11

3

0,106

0,899

0,118

15,245

134,76

121,15

4

0

0

1

0

0

0

5

0,978

0,599

1,632

0,735

171,55

102,84

6

4,849

1,199

4,044

0

98,1

117,62

7

0,173

0,599

0,288

4,163

171,55

102,84

8

0

0

4

0

0

0

 

A9. Ermitteln der Effektivkraft und Vergleich mit der Nennkraft

 

Fazit: Der Motor Beowulf ist für diese Anwendung geeignet.

Hinweis: Vorgestellte Berechnung dient der Abschätzung. Es wurden Versuche mit feldorientierten Umrichtern gefahren, bei denen wesentlich höhere Beschleunigungen gemessen worden sind. Durch die Geschwindigkeitsrückführung kann der Motor auch mit einer höheren Verfahrgeschwindigkeit arbeiten, so daß der gleiche Zyklus am feldorientierten Gerät schneller abgefahren wird. Gleichzeitig ist durch eine Regelung der feld- umd kraftbildenden Komponenten der Ströme ein wesentlich besseres thermisches Verhalten des Motors zu beobachten. Auf jeden Fall muss der jeweilige Einsatzfall ausgiebig getestet werden. Wahrscheinlich, daß in vielen Fällen die Auswahl des nächstkleineren Motors absolut ausreichend ist.

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Kontakt: mailto:weiss@patriceweiss.com

Stand: 17.06.2005

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